Selbstverständnis

Wer wir sind:

Wir sind eine selbstorganisierte Gruppe von FLINTA* ¹ in Erfurt, die sich gegen sexualisierte, psychische Gewalt und allgemein Gewalt im Geschlechterverhältnis einsetzen. Nach den verschiedenen Veröffentlichungen von Fällen sexualisierter Gewalt in der linken Szene im Jahr 2020 unter Anderem in Thüringen fanden wir uns zusammen. Wir haben festgestellt, dass es einige Leerstellen in der Unterstützung von Betroffenen und der Aufarbeitung gibt und wollen dazu beitragen, diese zu füllen. Wir sind selbst in der radikalen Linken verortet. Wir sind keine professionelle Beratungsstelle oder Therapeut*innen, sondern eine selbstorganisierte Gruppe, die für und mit Betroffenen parteilich agiert. Wir wollen dazu beitragen, dass innerhalb von Zusammenhängen, die sich als emanzipatorisch verstehen, Räume geschaffen werden, in denen Täterschutz nicht mehr möglich ist und Betroffene sich sicher fühlen können. Wir decken selbst nicht alle in FLINTA* enthaltenen Identitäten ab und sind als Gruppe zur Zeit weiß und able-bodied positioniert. Wir haben den Anspruch, macht- und diskriminierungskritisch zu arbeiten. Wir möchten unsere Gruppe um Perspektiven erweitern, möchten Kritik annehmen und lernen.

Unsere Haltung:

Zunächst ist es uns wichtig zu sagen, dass wir parteilich und solidarisch mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt sind und auch dementsprechend handeln wollen. Unsere Erfahrung ist, dass diese Solidarität auch in der “linken Szene” öfter als gedacht nicht in der Praxis gelebt wird. Wir erleben und erkennen auch hier die Verbreitung und Verankerung von Sexismus als gesellschaftliches Machtverhältnis. Sexualisierte Gewalt ist vielschichtig mit einem patriarchalen (gesellschaftlichen) Konsens verwoben, von dem auch antifaschistische Strukturen nicht frei sind. Dieses Machtverhältnis, diesen Konsens wollen wir angreifen.

Unsere Ziele:

Wir wollen ansprechbar sein für Betroffene von sexualisierter Gewalt, für Unterstützer*innen und für Betroffenen-solidarische Strukturen in Thüringen. Uns geht es darum, Menschen und Gruppen darin zu unterstützen, selbst handlungsfähig zu werden. Wir wollen mehr Vernetzung schaffen zwischen Menschen und Strukturen, die unsere Haltung teilen. Wir möchten uns kontaktieren können, um uns gegenseitig zu supporten, zu informieren und zu stärken. Wir wollen keine Dienstleister*innen sein, sondern Selbstorganisation stärken. Wir wollen eine Vernetzung schaffen, sie sich gegenseitig unterstützen und empowern kann.

Wie wir arbeiten:

Unterstützung kann Vieles heißen. Das kann zum Beispiel beginnen mit einem ersten Treffen, in dem du uns erzählen kannst, was du erzählen möchtest. Dann können wir gemeinsam überlegen, was für Möglichkeiten der Unterstützung und des Umgangs es gibt. Es gibt unterschiedliche Bedürfnisse, mit Erfahrungen umzugehen und wir wollen dich bei deinem Umgang unterstützen. Das kann beispielsweise der Aufbau einer Unterstützer*innen-Gruppe sein. Was wir als Supportstruktur tun, kann keine Traumabetreuung oder Therapie ersetzen. Wir können dich auch an professionelle Beratungsstellen verweisen, die Betroffenen eine Beratung und Begleitung anbieten, wie zum Beispiel Frauenzentren und queere Zentren.

Neben direkter Unterstützungsarbeit bieten wir an, Austausch und Wissensvermittlung zu dem Themenfeld in Form von Vorträgen und Workshops zu organisieren. Das können verschiedene theoretische und praxisnahe Themen sein, wie Definitionsmacht, antisexistische Awareness, U-Gruppenarbeit, community accountability, Täter*innenarbeit oder transformative justice.

Was noch?

In akuten Fällen wollen wir handeln, um Betroffene zu unterstützen. Auch losgelöst von konkreten Fällen finden wir es wichtig, zu sensibilisieren. Hier richten wir uns insbesondere an Menschen und Strukturen innerhalb von Kontexten, die sich als links, emanzipatorisch, progressiv und feministisch verstehen. Es muss noch viel getan werden, um eine antisexistische linke Szene zu schaffen. Wir wollen hin zu einer Praxis, um das in uns eingeschriebene Patriarchat zu überwinden. Das heißt auch: Mackertum sichtbar machen und patriarchale Strukturen aufzeigen und abschaffen. Uns ist wichtig, dass wir ein Bewusstsein über sexistisches Verhalten schaffen und die Eigenverantwortung in und von Strukturen stärken. Verantwortung soll geteilt werden und die Aufarbeitung nicht allein bei betroffenen Personen und deren Unterstützer:innen bleiben. Verantwortung und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt geht uns alle an!

 

¹ FLINTA* – Abkürzung für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen. Also die Personen, die im Patriarchat abgewertet und diskriminiert werden.